Die Zinsen sind wieder rückläufig und der Schweizer Immobilienmarkt ist eigentlich nie aus seiner Hausse herausgekommen. Handelt es sich um eine Preisblase, die einfach noch nicht geplatzt ist oder dreht sich die Preisspirale doch noch weiter nach oben?
Die Immobilie entkoppelt sich teilweise vom Rest der Wirtschaft
Im Normalfall bewegen sich Güter ungefähr im Gleichschritt mit der allgemeinen Wirtschaftslage. Die Idee dahinter ist simpel: Wirtschaftliche Wertschöpfung schafft Löhne, Gewinne und Vermögen und diese ermöglichen den Erwerb von Gütern. Steigt oder sinkt diese Wertschöpfung, dann ist entweder mehr oder weniger Geld für den Kauf dieser Güter vorhanden – soweit die Theorie. Ein Blick auf die letzten Jahre zeigt aber eine zunehmende Schere zwischen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung und der Entwicklung des Schweizerischen Immobilienmarkts.
Zu Veranschaulichung können wir uns beispielsweise die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP) und der Immobilienpreise anschauen. Seit 1975 hat das Schweizerische Bruttoinlandprodukt, also die Gesamtheit aller in einem Jahr hergestellten Güter und Dienstleistungen, um nominell 211% zugelegt (Stand 2023). In der gleichen Zeitspanne haben aber die Immobilienpreise um satte 301% zugelegt. Auch wenn der direkte Vergleich Unschärfen hat, ist die Differenz doch bemerkenswert. Schliesslich wird im BIP jenes Geld verdient, dass auch die Nachfrage nach Immobilien massgeblich beeinflusst, sei dies als Eigenheim, Renditeanlage oder als Produktionsstandort.
Betrachten wir zusätzlich die Entwicklungen von Bruttovermögen, Hypothekarvolumen sowie Bruttolöhne dann werden die Diskrepanzen noch augenfälliger. Für die letzten 20 Jahre wird nachstehend die nominelle Veränderung dieser Messgrössen gegenübergestellt:
Messgrösse | Jahr 2003 | Jahr 2023 | Differenz (%) |
---|---|---|---|
Bruttovermögen CH (indexiert) | 100 | 201 | 101% |
Hypothekarkredite CH (indexiert) | 100 | 238 | 138% |
Bruttolohn nominell CH (indexiert) | 100 | 152 | 52% |
Wir sehen, dass in den letzten 20 Jahren das Volumen der Hypothekarkredite stärker anwuchs als das Bruttovermögen selbst. Das ist bemerkenswert, da letztlich aus dem Bruttovermögen auch ein Teil der teurer werdenden Immobilien bezahlt werden muss. Der Blick auf die Bruttolöhne zeichnet ein noch klareres Bild mit einer Steigerung von nur rund 52%. Bedenkt man, dass etwa gerade im Mietbereich in erster Linie der Lohn zur Bezahlung der Miete beigezogen wird, stimmt diese Diskrepanz nachdenklich.
Man kann hier berechtigterweise einwenden, dass diese drei Messgrössen nicht eins zu eins verglichen werden können. Das stimmt sicherlich. Ebenso haben wir nur «Globalwerte» angeschaut, ohne Differenzierung hinsichtlich der Vermögensverteilung oder der einzelnen Lohnentwicklungen nach Branche oder Ausbildungsstand. Dennoch zeigt sich insbesondere in dieser Gegenüberstellung, dass die Preisbildung bei der Immobilie vielen anderen Wirtschaftsfaktoren davonläuft. Dieser im Fachjargon als «asset inflation» bekannte Trend ist seit der Finanzkrise in zunehmendem Masse beobachtbar. Diesem Trend konnten auch die damaligen Zinserhöhungen der Nationalbank im Jahr 2022 eigentlich nichts anhaben.
Diese 4 Faktoren treiben das Preiswachstum in der Zukunft
Wenn selbst die Zinspolitik der Nationalbank kaum einen Einfluss auf die vorzu steigenden Immobilienpreise hat und diese sich auch immer stärker von der allgemeinen Wirtschaft entkoppeln, dann stellt sich die Frage, woher das so kommt? Im Wesentlichen geht es – wie bei fast jedem Wirtschaftsgut – um die Dynamik von Angebot und Nachfrage. Diese ist im Schweizerischen Immobilienmarkt von 4 besonderen Faktoren geprägt, die unabhängig vom Gesamtgang der Wirtschaft die Preise für Immobilien immer weiter in die Höhe treiben:
Bodenknappheit
Bauland ist und bleibt ein knappes Gut. Umso mehr, als Einzonungen restriktiver geworden sind und die innere Verdichtung in urbanen Zentren weder konzeptionell noch rechtlich wirklich Fahrt aufgenommen hätte. Die Konsequenz zeigt sich vor allem im Neubau. In Städten wie Zürich oder Basel wird zwischen CHF 10 000 bis CHF 15 000 pro Quadratmeter Neubauland ausgegeben. Im Jahr 2004 waren die durchschnittlichen Preisspannen inflationsbereinigt noch bei CHF 4 500 bis CHF 7 000 pro Quadratmeter. Dies entspricht am oberen Ende einer Verteuerung des Bodens um circa den Faktor 2.15, und das binnen nur 20 Jahren. Bedenkt man, dass der Landwert rund einen Drittel an den Gesamtkosten eines Neubauprojekts ausmacht, ist es offenkundig, dass Investoren diese massiven Mehrkosten auf die Verkaufspreise oder Mieten draufschlagen müssen.
Hohe Nachfrage
Die Schweiz wächst bevölkerungsmässig nach wie vor. Zwar sind politische Bestrebungen im Gang, die Immigration zu senken. Gerade bei den derzeitigen Verhandlungen mit der EU wird hart über einen Steuerungsmechanismus gerungen, um die Einwanderung von EU-Bürgern zu regulieren. Ob diese Verhandlungen aber erfolgreich sind oder bei einem allfälligen Referendum auch vor dem Volk Bestand hätten, sei dahingestellt. Nimmt man das durchschnittliche Nettowachstum der Arbeitsplätze von jährlich circa 2% als Massstab, so kann auch in Zukunft mit einem Bedarf der Wirtschaft von etwa 100 000 Personen pro Jahr gerechnet werden. Ein grosser Teil dieses Bedarfs entfällt auf ausländische Staatsbürger, die neu in die Schweiz kommen.
Sinkende Bautätigkeit
Die Bautätigkeit in der Schweiz ist rückläufig. Dies hat verschiedene Ursachen. Einerseits sind die Baueinsprachen im Verhältnis zu den Bauprojekten deutlich gestiegen. In der Schweiz wird von rund einer Verdopplung in den letzten 15 Jahren ausgegangen. Dies verzögert und verteuert Bauprojekte. Des Weiteren werden die Baubewilligungsverfahren zunehmend komplizierter und treffen gleichzeitig auf eine Verwaltung, die technisch und personell nicht dafür ausgelegt ist. Abschliessend kommen noch die allgemein gestiegenen Baukosten hinzu, welche die Gewinn- und Renditemargen von Neubauentwicklungen drücken und damit zu weniger Bauinvestitionen führen.
Umschichtung von Vermögen
Ob wir mit der neueren Zinssenkung der Nationalbank wieder in eine längere Tiefzinsphase kommen, lässt sich nicht vorhersagen. Dennoch gibt es einige Hinweise darauf, dass die Zinsen wohl über eine etwas längere Dauer tief bleiben könnten. Dies ist vor allem dem starken Aufwertungsdruck des Frankens geschuldet. Nebst dem Aufwertungsdruck hat die Nationalbank natürlich auch ein Auge auf die zum Teil hohe Verschuldung der privaten und öffentlichen Hand. Hier darf die Nationalbank die Zinsschraube nicht zu straff anziehen. Für die institutionellen Anleger, allen voran den Pensionskassen, heisst das, dass Bundesanleihen und andere Fix-Einkommen-Anlagen aufgrund des tieferen Zinses unattraktiver werden. Sie haben damit wieder einen starken Anreiz ihre Investitionen umzuschichten und könnten ihr Glück erneut in den Immobilien suchen. Diese Ausweitung der Nachfrage durch äusserst zahlungskräftige Pensionskassen würde die Immobilienpreise zusätzlich anheizen.
Das besonders starke Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage im Immobiliensektor führt dazu, dass die Preise – mal schneller, mal langsamer – vorzu ansteigen. Dieser Effekt ist so stark, dass er die hinterherhinkende Wirtschaftsentwicklung abgehängt hat. Aus diesem Grund kommt der Markt bei Eigenheimen immer öfter über die psychologische Marke von CHF 10 000 pro Quadratmeter. Oder bei den Renditeanlagen verharrt der Markt bei tiefen 2.5% bis 3.5% Bruttorendite. Es werden nämlich dermassen grosse Wertsteigerungen aus der Zukunft bereits heute eingepreist, dass viele Immobilieninvestoren, ähnlich wie bei einer Trend-Aktie, die rosigen Zukunftsaussichten bereits jetzt um jeden Preis «einkaufen» möchten.
Risiken für den Neubaubereich
Nebst den politisch-wirtschaftlichen Herausforderungen dieser Entwicklung zeigen sich immobilienspezifisch vor allem Risiken im Bereich der Projektentwicklung respektive der Neubautätigkeit. Das teurere Land sowie die höheren Kosten für Bau und Bewilligung müssen sich notwendigerweise im höheren Verkaufspreis oder der höheren Miete niederschlagen. Der «Abnehmermarkt» für diese Immobilienprodukte kommt aber schwergewichtig aus der Arbeitswelt, wo die meisten Löhne eben nicht Schritt halten können. Nimmt man die einschlägigen Richtlinien zur Finanzierung oder Tragbarkeit hinzu, wird es noch schwieriger für die breite Bevölkerung sich Immobilien leisten zu können. Betrachten wir etwa die Tragbarkeitsbestimmungen beim Kauf von Wohneigentum, so muss ein Haushalt für eine Zwei-Millionen-Franken-Wohnung ein Einkommen von stolzen CHF 240 000 im Jahr nach Hause nehmen.
Die Entkopplung der Immobilienpreise vom Rest der Wirtschaft kann dann dazu führen, dass zwar immer teurer und wertvollere Immobilien vorhanden sind, sich aber immer weniger Leute diese auch leisten können. Gerade bei Entwicklungsprojekten, wo Investoren mit grossen Beträgen in die Vorkasse gehen, kann das Risiken bergen. Verläuft der Verkauf oder die Vermietung schlechter als erwartet, führt das zu erheblichen finanziellen Belastungen. Wenn man mit seinen Preisen gar ganz ausserhalb des Marktes liegt, muss man sehr teure Preisnachlässe erwägen, die angesichts der hohen Investitionskosten (Land, Bau, Bewilligungsverfahren) zum Verlustgeschäft werden können. Hier gilt es aus unserer Sicht für Entwickler die Faktoren Lage, Preis und Produkt jeweils immer genau auf einander abzustimmen.
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Moritz Falck MRICS