Eine Auslegeordnung für Liegenschaftseigentümer
Der Schweizer Immobilienmarkt ist in einigen Bereichen im Wandel begriffen. Dies hat nicht nur mit der der letztjährigen Zinswende zu tun, sondern auch mit weiteren Marktveränderungen. Welche Faktoren hier im Fokus stehen und welche Chancen und Risiken sich für Liegenschaftseigentümer ergeben, beleuchten wir in unserer neuen Insight-Ausgabe.
Die Zinswende: Sorgenkind oder bloss die Rückkehr zur Normalität?
Sie war absehbar, kam dann aber doch irgendwie plötzlich. Als die SNB im Juni 2022 den Leitzins anhob, beendete sie damit eine historische Tiefzinsphase von über 13 Jahren. Haupttreiber des Zinsentscheids waren die steigende Inflation sowie die währungspolitische Antwort auf Zinsanpassungen anderer Nationalbanken. Nicht zuletzt wollte die SNB durch die „Normalisierung“ der Zinswelt auch wieder geldpolitischen Handlungsspielraum zurückgewinnen.
Für die Liegenschaftseigentümer bedeutet dieser Entscheid eine deutliche Erhöhung der Finanzierungskosten. So sind etwa die Zinskosten für 10-jährige Hypotheken im schweizerischen Durchschnitt um rund 130% angestiegen. Für das laufende Jahr wird zwar mit einer Nivellierung des SNB-Leitzinses bei 1.50% bis 1.75% gerechnet. Trotz der turbulenten letzten Tage rund um die Rettung der Credit Suisse, sind weitere Anhebungen in der Zukunft nicht ausgeschlossen. Herausfordernd ist diese Entwicklung vor allem für Liegenschaftseigentümer, die jetzt im grösseren Stil refinanzieren müssen oder vor zyklischen Erneuerungen stehen, für die Fremdkapital benötigt wird. Ebenso geraten bestimmte Vermietungsmodelle renditemässig unter Druck, wie etwa das Buy-and-Lease von Eigentumswohnungen. Wie sich die Erschütterungen am Finanzmarkt auf Höhe und Tempo der Zinspolitik auswirken, wird sich noch weisen müssen. Die letzten Entscheide der Notenbanken deuten aber auf eine Fortsetzung der bisherigen Marschrichtung hin.
Spiegelbildlich wird die Zinswende auf der Ertragsseite aber den Referenzzinssatz von derzeit 1.25% anheben. Dieser ist vor allem an die Wohnungsmietpreise gekoppelt. Steigt der Referenzzinssatz, kann der Vermieter den Mehraufwand der Finanzierungskosten nominell auf den Mietzins schlagen. Derzeit bedeutet die Erhöhung des Referenzzinssatzes um 0.25% eine nominelle Mietzinserhöhung von knapp 3.00%. Vermieter von Gewerbeflächen werden hiervon aber nur in seltenen Fällen profitieren, da die meisten Gewerbemietverträge indexiert sind mit festen Laufzeiten. Hier können Gewerbevermieter im Regelfall nur die Inflation an den Mietzins weitergeben. Für Gewerbefläche ist somit ein zusätzlichen Druck auf die Renditen zu erwarten – steigende Finanzierungskosten und gleichzeitig nur eingeschränkte Möglichkeiten die Mieten anzuheben.
Was noch offen ist, ist die Reaktion der Mieterseite auf den Anstieg des Referenzzinssatzes. Vor dem Hintergrund steigender Nebenkosten, der Wohnungsknappheit und der immer noch anhaltenden Inflation ist es durchaus möglich, dass sich gewisse Interessensgruppen gegen steigende Mieten zur Wehr setzen könnten. Das probateste Mittel hierfür ist die Einsprache gegen den sogenannten „übersetzten Ertrag“. Mit dem übersetzten Ertrag wird geregelt, wie hoch die maximal zulässige Rendite aus der Liegenschaft ausfallen darf (vgl. Art. 269 OR). Gemäss aktueller Rechtsprechung gelten die folgenden Bestimmungen zu maximal zulässigen Rendite:
- Wenn Referenzzinssatz unter 2.00%: Aktueller Referenzzinssatz + 2.00% Aufschlag
- Wenn Referenzzinssatz über 2.00%: Aktueller Referenzzinssatz + 0.50% Aufschlag
Wichtig erscheint uns hier noch zu erwähnen, dass es gerade bei Einsprachen gegen den übersetzten Ertrag oftmals zur Umkehr der Beweislast kommt: Der Vermieter muss dann nachweisen, dass seine Rendite unter der maximal zulässigen Grenze liegt. Das ist ausgesprochen zeitaufwändig in der Berechnung. In der Praxis verzichten Vermieter häufig auf diese schwierigen Berechnung und suchen, mit entsprechende Zugeständnissen an die Mietpartei, entweder den Vergleich oder versuchen, über die Orts- und Quartierüblichkeit zu argumentieren. Ob und inwiefern eine Einsprachewelle droht, wird sich mit der Zeit noch zeigen.
Im Fazit beinhaltet die Zinswende also Chancen und Risiken für die Liegenschaftseigentümer. Einerseits drücken höhere Finanzierungskosten deutlich aufs Portemonnaie. Gerade knapp finanzierte Investments sowie bestimmte Vermietungsmodelle werden darunter leiden. Andererseits setzt mit der Zinswende auch eine gewisse „Normalisierung“ des Marktes ein. Die in Aussicht stehende Erhöhung des Referenzzinssatzes wird zudem Mietsteigerungen möglich machen – wenn auch mehrheitlich nur im Wohnungsmarkt.
Die Wohnungsknappheit
Aus Sicht des Liegenschaftseigentümers können diese Erkenntnisse zunächst als „positiv“ aufgegriffen werden. Der starke Nachfrageüberhang wird Leerstände tief halten, dies auch an vormals schwieriger zu vermietenden Lagen. Darüber hinaus bleibt es im Wohnungssegment ein klarer „Vermietermarkt“.
Letztlich wird das knappe Angebot auch beim privaten Eigenheim die Preise stabil bis ansteigend halten. Für die allermeisten Wohnlagen stehen keine Preiskorrekturen an. Einzige Ausnahme wird hier wohl das oberste Luxussegment sein, welches aus unserer Sicht eindeutig überhitzt ist. Steigende Finanzierungskosten werden auf das Budget der Eigenheimbesitzer drücken. Mittelfristig dürften die Mehrkosten aber durch die Wertzunahme der Immobilie kompensiert werden.
Offen bleibt die politische Reaktion auf die sich verschärfende Wohnungsknappheit. Es ist für uns nicht ausgeschlossen, dass Markteingriffe punktuell stattfinden könnten. Gerade in den umkämpften Wohnungsmärkten der Grossstädte sind staatliche Interventionen durchaus denkbar. Eine breitangelegte Regulierungswelle zeichnet sich für uns allerdings nicht ab. Ein stattlicher Anteil des schweizerischen Immobilienbesitzes liegt bei den Vorsorgeeinrichtungen. In der ohnehin angespannten Vorsorge (Demographie, schwaches Wachstum, Inflation) wird sich die Politik davor hüten, Mieterträge der Vorsorgeeinrichtungen zu stark zu beschneiden und damit die Renten zu gefährden. Wo wir am ehesten noch grössere, politische Manöver sähen, ist bei der Besteuerung des Immobilienbesitzes – vor allem beim privat gehaltenen Immobilienbesitz.
Regulatorische Hürden und steigende Anforderungen
Das Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage im Immobilienmarkt ist nach unserer Sicht vorwiegend in der Angebotsseite begründet. Diese Knappheit beim Angebot treibt vor allem die steigenden Mieten und Immobilienpreise an. Auch hierfür gibt es verschiedene Gründe. Sicherlich hat die Schweiz als kleines Land einerseits begrenzte Flächen. Gerade die raumplanerisch sinnvolle Einbindung neuer Bauparzellen in bestehende Infrastrukturen ist alles andere als trivial. Verkehr, Versorgung, Gesundheitswesen oder Schulen müssen auf den steigenden Wohnraumbedarf abgestimmt werden. Andererseits könnte man hier fairerweise entgegenhalten, dass andere Länder oder Städte auch mit viel weniger Fläche auskommen. Die Metropolregion Tokio zum Beispiel hätte mit ihren über 38 Millionen Einwohnern auf gerade einmal 32% der Schweizer Landesfläche Platz (abzüglich der Berge wären es 44%). Wir sehen das knappe Raumangebot in erster Linie im politisch-regulatorischen Bereich begründet.
Mit dem revidierten Raumplanungsgesetz wurden neue Einzonungen zum Schutz der Landschaft deutlich vermindert. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber zahlreiche Impulse zur inneren Verdichtung gesetzt. Letzteres greift aber bis anhin nur bedingt. Die lokalen Baugesetze versuchen sich noch immer im Spagat zwischen Ortsbildschutz und nachfrageorientierter Immobilienproduktion. Beides kann aber nicht im gleichen Masse gelingen. Darüber hinaus sind die Baugesetze in einigen Bereichen ausgesprochen restriktiv. Gerade die Umnutzung nicht mehr gebrauchter Büros in Wohnraum oder die Umnutzung von Industrie- und Fabrikbrachen in den städtischen Aussenbezirken ist in vielen Gemeinden faktisch unmöglich.
Nicht zuletzt ist auch der Weg zum Bau hin steinig. Die im internationalen Vergleich umfangreichen Einsprachemöglichkeiten verzögern und verteuern Bauprojekte. Bauherrn müssen Pläne anpassen, Verhandlungen führen und Entschädigungen auszahlen. Nicht immer ist erkennbar, wo da der Eigentumsschutz aufhört und der Egoismus beginnt. Auch das Baubewilligungsverfahren gestaltet sich als zunehmend schwierig. Es müssen mehr Nachweise erbracht und mehr Vorschriften eingehalten werden. Selbst für zum Teil einfache Bauvorhaben muss ein Architekt beigezogen werden, um die formellen Anforderungen an die Baueingabe zu erfüllen. Dies alles kostet Zeit und Geld und wirkt damit dämpfend auf die Ausweitung des Angebots.
Die angesprochenen Herausforderungen dürften leider auch Zukunft bestehen bleiben. Dies gilt nicht nur für den Neubau, sondern auch für Projekte im Bestand. Infolge zunehmender Baulandkonkurrenz sowie einer komplexeren Gesetzgebung müssen sich Liegenschaftseigentümer auf schwierige Umstände beim Bauen einstellen. Ohne politische Reformen wird Bauen in der Schweiz herausfordernd bleiben und eventuell noch herausfordernder werden.
Fazit
Die hohe Nachfrage nach Wohnraum wird nach unserer Einschätzung die Immobilienpreise weitestgehend stabil halten und Leerstände senken. Die höheren Zinsen drücken bei der Kostenseite zwar auf die Rentabilität, werden aber demnächst auch Mietpotenziale auf der Ertragsseite freisetzen. Aufgrund des Nachfrageüberhangs bleibt bei der Preisgestaltung die Verhandlungsmacht beim Vermieter. Für Gewerbeliegenschaften wird, je nach Lage, der Renditedruck tiefer und nachhaltiger ausfallen. Gewerbliche Vermieter profitieren in der Regel nicht von Veränderungen des Referenzzinssatzes. Gleichzeitig sehen sie sich mit der Beschleunigung gewisser negativer Trends konfrontiert. So hat die Corona-Pandemie die Ausdünnung des stationären Ladengeschäfts im Non-Food-Bereich verschärft. Dies wird sich so fortsetzen und zu Umschichtungen in andere Gewerbe- oder Bürokonzepte führen – das Kaufhaus Jelmoli hat dies zuletzt prominent aufgezeigt.
Die grösste Herausforderung ist und bleibt die Unterproduktion. Das trifft insbesondere für den Wohnungsmarkt zu. Es zeichnet sich für uns leider ein unangenehmer Dreiklang ab: Für eine nachfrageorientierte Wohnraumproduktion ist Pragmatismus und Geschwindigkeit gefordert; dem stehen aber komplexe Anforderungen und ein zu enges gesetzliches Korsett gegenüber; und zu guter Letzt wird das Bauen zwar meistens befürwortet, nur aber nicht, wenn es in der eigenen Nachbarschaft stattfinden soll. Das alles deutet auf einige Misstöne hin.
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